Papua Neuguinea ist eines der wildesten und extremsten Gebiete - nach Grönland die zweitgrößte Insel der Erde und sicher eine der schlangenreichsten. Hier leben 36 der weltweit bekannten 43 Arten Paradiesvögel. Die Tierwelt enthält die Mehrzahl der auch in Australien vorkommenden Beuteltiere, dazu Baumkängurus, fliegende Füchse und Leistenkrokodile. Die bis fast 5000 m hohe, zerklüftete Gebirgskette auf der Insel ist mit dichten tropischen Ur- und Regenwäldern bewachsen. Das Landesinnere wurde vom Tourismus kaum erschlossen und stellt ein noch fast unberührtes Natureldorado dar.

Nach 30stündiger Anreise erreichte ich von Berlin über Singapur, Port Moresby, die Hauptstadt des Landes. Von dort aus begann das große Abenteuer Neuguinea. Ich schlief in städtischen Slums und in ländlichen Hütten aus Buschmaterial, in denen es kein Mobiliar gab, und kochte über offenem Feuer. In meinem Rucksack waren verstaut: Schlafsack, Regenhaut, Kochgeschirr, Fotoausrüstung, Gastgeschenke und eine umfangreiche Reiseapotheke, z.B. zur Malariaprophylaxe, Hautsalben, Fieber- und Durchfalltabletten.
Als ich in Port Moresby meinen schon in Deutschland reservierten Inlandflug nach Menyama antreten wollte, hörte ich, dass diese Flugverbindung vor Kurzen eingestellt wurde. Aufgeregt fragte ich, wie ich denn nun dahin käme, da es doch keine Straßenverbindung gab. Für den nächsten Tag bekam ich ein Ersatzticket nach Lae, der zweitgrößten Stadt Papua Neuguineas. Mein Rucksack wurde gleich eingecheckt. Von dort sollte ich den PMW ( LKW mit Sitzen auf der Ladefläche) nehmen. Da es auch von dort keine adäquate Straße, sondern nur eine achterbahnähnliche Urwaldpiste gab, bestand keine Busverbindung. Das Flugzeug startete um 7°° Uhr und ich sollte um 6°° am Airport sein. Pünktlich fünf Minuten vor 6°° Uhr war ich am nächsten Morgen im kleinen Flughafengebäude und erfuhr, dass das Flugzeug bereits vor 20 Minuten gestartet war. „Wo ist mein Gepäck und was ist mit meinem Ticket?“ „Ja, das ist bereits an Bord und das Ticket tauschen wir dir um.“ „Wann geht der nächste Flieger?“ „In vier Stunden.“ „Mein Rucksack, mein Rucksack!“ „No problem, no problem, kommt in Lae nicht weg.“ Tatsächlich wurde er in Lae an der Gepäckaufbewahrung für mich abgegeben. Der Flugplatz lag ziemlich weit draußen und um in die Stadt zu kommen nahm ich den Bus, den falschen, wie sich bald herausstellte. Der Bus fuhr nicht in die Stadt, sondern in eine Universität, und den Fahrgästen, meist Studenten, fiel nicht auf, dass ich verkehrt war. An der Endstation musste ich nun aussteigen. Ärgerlich fragte ich die Leute, wie ich nun in die Stadt käme? Es gab keine offizielle Busverbindung. Da bot mir der Fahrer an, mich mit seinem Bus privat vom Campus in die City zu bringen. „Wo willst du denn hin?“ „In ein einfaches Guesthouse.“ Also los. Unterwegs nahmen wir noch andere einheimische Passagiere auf, die ebenfalls in die Stadt wollten. Als wir vor einem Hotel anhielten, sah ich schon von außen, dass es viel zu fulminant war, und ich bat den Fahrer, mich zu einem anderen zu fahren. „Low budget, small money”, gab ich ihm noch einmal zu verstehen. Aber auch das war zu teuer für mich. Trotzdem bedankte ich mich und stieg aus, um zu Fuß weiter zu suchen. Der Bus fuhr schon an, als aus einem geöffneten Fenster ein bärtiger Mann, der vom Betelnusskauen völlig geschwärzte Zähne hatte, mir winkend zu rief: „Can I help you?“ Ich sagte natürlich ja. Wir klapperten alle Hotels der Umgebung ab, aber es gab tatsächlich keine einfachen Unterkünfte. Da lud mich der Mann ein, in seinem Haus zu übernachten. „No money, no money, is free. Du bist mein Gast.“ Mit dem Minibus (andere gab es auch nicht) fuhren wir wieder stadtauswärts. Durch die geöffneten Schiebefenster spuckten die Fahrgäste einen roten, ekligen Speichel aus. Sie kauten die Früchte der Betelpalme (Arecapalme). Mit etwas Calciumhydroxid (gelöschter Kalk) werden zerkleinerte Nussstückchen in ein Betelpfefferblatt gerollt. Beim Zerkauen färbt sich der Speichel durch das Arecolin blutrot. Der erste, bittere Saft wird ausgespieen und der zweite geschluckt. So wird das Hungergefühl unterdrückt. Vorsicht! Mehr als 8-9 Gramm dieses Desserts sind tödlich! Gut, dass sich mein Fenster schließen ließ, denn der Fahrtwind blies die widerliche Spucke, die aus den vorderen Fenstern flog, hinten wieder an den Bus. Wie nach einem brutalen blutrünstigen Massaker sahen die Scheiben und die Trittflächen schon beim Einsteigen aus. Mit der Treffsicherheit nahm man es allerdings nicht so genau. Wo das Ziel verfehlt wurde, lief die ganze Suppe an der Innenverkleidung bis auf die Sitze wieder herunter.
Bald musste ich feststellen, dass mein Gastgeber in tiefer Armut am Rande der Zivilisation, nämlich in den Slums, hauste. In einer kärglichen, unprätentiösen Wellblechpfahlhütte, als wäre sie von zehnjährigen Schulbuben gebaut, und vor der kümmerliche Ananaspflanzen wuchsen, bezog ich nun Quartier. Als Toilette diente ein Loch in der Erde, wo es vor Ungeziefer und Plasmodium-verseuchten Moskitos nur so wimmelte. Eine Waschgelegenheit gab es nicht. Die Feuerstelle zum Kochen befand sich in einer Vertiefung unter der Hütte. Neugierig kamen viele staunende, Betelnuss kauende und permanent blutrot spuckende barfüßige Bewohner, um den sonderbaren Ankömmling zu sehen. Ein Papua brachte sogar sein gut gemästetes Hausschwein mit, um zu zeigen, dass er hier einen höheren Status hatte. Auf seiner rechten Schulter trug er eine schwere scharfe Axt. In der wackligen morbiden Nachbarbruchbude neben der mickrigen, zweiblättrigen, mit rotbrauner Körperflüssigkeit besprenkelten Bananenstaude sah ich eine juvenile schwächliche Frau, am ganzem Leibe zitternd, in fötaler Stellung zusammengekauert auf dem Boden liegen. Ganz bleich im Gesicht, die Augen fiebrig glühend, das fragmentarische Gebiss braunschwarz und die gesamte Stirnpartie mit Schweißperlen übersät, sie hatte die schreckliche Malaria, die später auch mich, trotz akribischer Prophylaxe, erwischte. Da ich unter Medikamenteneinfluss stand, brach sie erst in Deutschland aus.

 

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