durcheinander. Hinter einer
Öffnung die mit Maschendraht geschützt ist befindet sich ein Mikrofon, in das
man offensichtlich sein Anliegen hineinrufen soll. Jeder johlt jedem dazwischen
und ich verstehe kein Wort. Das hat hier keinen Zweck und ich schlage mich zu
den Bahnsteigen durch. Einer uniformierten Passantin zeige ich mein Ticket und
frage sie nach dem richtigen Gleis. Es soll ganz sicher Gleis 2 sein. Nachdem
ich die Fußgängerüberführung überquert habe, befrage ich zur Sicherheit einige
vorübergehende Passanten erneut zum Zug nach Varanasi. Nun heißt es Gleis 3. Um
klare Gewissheit zu bekommen, erkundige ich mich bei einem Snackverkäufer. „Ja,
der Zug fährt hier ab und hält auch in Varanasi.“, heißt es. „Nein!“, ruft ein
Inder dazwischen. „Der Zug fährt hier ab hält aber nicht in Varanasi.“, gibt er
zu verstehen. „Doch!“, verteidigt sich der Verkäufer. „Nein!“, „Doch!“, „Nein,
er hält nicht in Varanasi sondern in Mughai Sarai!“ Mughai wie? Ich reiche ihm
mein Notizbuch und einen Stift, damit er mir den Ort aufschreiben kann, den ich
mir nicht merken kann. „Wie weit ist denn Varanasi noch von Mughai Sarai
entfernt?“, möchte ich wissen. „20 km und du musst dort den Zug wechseln.“
Als die Eisenbahn einfährt und
anhält geht es zu wie in einem Ameisenhaufen. In diesen Waggon darf ich nicht
einsteigen und in diesen auch nicht. Da ich nicht weiß, wie lange der Zug hier
stoppt, möchte ich so schnell wie möglich erst einmal hinein. Zwei junge Inder
winken mir zu. Ich soll ihnen folgen. Fast ganz hinten können wir zusteigen. Es
ist der gleiche Eisenbahnwaggon wie im Zug nach Kalkutta, bloß das ich dieses
mal keine Platzkarte habe. Alle Sitzgelegenheiten sind besetzt. Sitzen kann man
sowieso bloß auf den unteren Pritschen, auf denen niemand liegt. Die beiden
Jugendlichen reden mit einigen Passagieren. Sie sollen zusammenrücken, damit ich
auch sitzen kann. Das funktioniert auch. Wie weit ich mitfahre wollen sie wissen
und ich zeige meinen Mughai Sarai – Zettel. Auf der Liege gegenüber ruht
ausgestreckt ein kranker Mann. Er hängt an einem Tropf, der an der Pritsche über
ihm notdürftig befestigt wurde. Die Leute die für mich zusammengerutscht sind,
gehören zu ihm und versorgen ihn medizinisch. Meinen Rucksack muss ich mitten in
den Gang stellen, da alle Gepäckplätze belegt sind und auf meinem Schoß befindet
sich schon meine Umhängetasche.
Nach
vier Stunden heißt es von meinem Banknachbarn: „Die nächste Station ist Mughai
Sarai.“ Es ist schon dunkel und niemand weiß, wo der Zug nach Varanasi abfährt.
Unglaublich, ich entdecke einen Informationsschalter! Dort schütteln alle mit
den Köpfen. „Varanasi,, das sind nur 5 km von hier, da wirst du doch nicht zwei
Stunden auf den Zug warten wollen? Da drüben ist ein Taxistand.“ Was das Taxi
ungefähr kostet, frage ich noch. „10 Rupien aber nicht mehr als 15.“ Ich gehe
zum Ausgang und sehe ein Schild mit einem Pfeil nach rechts. Auf diesem steht:
Taxi. Aber der Gang nach rechts ist mit einer verschlossenen Gittertür
versperrt. Schnell kommt jemand herbei gelaufen und öffnet mir. Ich frage nach
einem Taxi nach Varanasi. Mehrere Three – Weelers (dreirädrige Autorikschas)
stehen bereit. Mit 10 bis 15 Rupien ist hier nichts. Auf einem großem Schild
steht auf indisch: Varanasi 40 Rupien. Es sind noch mehrere Orte angegeben, die
ich nicht lesen kann. Als sie hören, dass ich in das Zentrum möchte, behaupten
sie 40 Rupien seien nur bis zum Stadtrand und ich solle mal auf Punkt 6 der
Tafel schauen. Na, da schau ich doch mal und was steht hier? 175 Rupien. Da ich
mit Bargeld reise und sich immer mehr zwielichtige Gestalten um mich herum
versammeln, stimme ich zu und klettere in den Three - Weeler. Nun beginnt eine
imbezile Odyssee in die Nacht. Der psychopathische Fahrer brettert volle Kanne
und ohne das Licht einzuschalten durch die Dunkelheit. Hier wird für niemanden
und nichts gebremst, nur gehupt. Er hält überall voll drauf. Radfahrer,
Fußgänger, Autos, Rikschas, Tiere usw. sind nicht sicher. Jedes Schlagloch wird
gnadenlos mitgenommen und ich habe zu tun, alles hinten festzuhalten. Da in
unserer Spur kein Platz ist, wird einfach in der Gegenspur weitergefahren. Ein
LKW mit aufgeblendetem Licht kommt uns entgegen. Mir wird gar nicht besser.
Unsere reguläre Fahrspur ist voll und die andere Seite ist abschüssig. Beide
Fahrzeuge rasen frontal auf einander zu. Wirklich im aller letztem Moment legen
die Fahrer eine Vollbremsung hin. Knapp 2 m auseinander bleiben wir stehen. Den
Lenker scharf nach links eingeschlagen erzwingt er sich die Rückkehr in die
richtige Spur. Trotz bedrohlichen Gegenverkehres werden brenzlige Überholmanöver
eingeleitet.
Im heiligen Varanasi angekommen geht es spritzig und in voller
Fahrt in die schmalen Katakomben der Altstadt hinein. Links und rechts ist nicht
mehr als eine handbreit Platz. Eine scharfe Kurve jagt die andere. In der
eingeengten Luxa Road kommen wir nun zum Stehen. Als ich in die Old Yogi Lodge
einchecke, gibt mir der rasante Fahrer zu verstehen, dass er richtig gut
gefahren sei und ob er sein Trinkgeld in Dollar bekommen könnte.
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