Abends planten die Ibans und mein neuer Freund Entalai eine Wanderung zu
einem altem Langhaus, das ihre APAI = Väter, vor ca. 20 Jahren verließen, um
an den Skrang zu gehen, wo es mit der Nahrungsbeschaffung besser war.
Am nächsten Morgen zogen wir gemeinsam los. In ihren geflochtenen
Rückenkiepen hatten sie ein Fischernetz und Proviant für zwei Tage verstaut.
Viel Reis, etwas Tee, Hühnereier und Gemüse, das ich nur vom Sehen kannte.
Nach einer guten Stunde Fußmarsch, vorbei an der üppig gedeihenden
Pfefferpflanzung und der kleinen, jämmerlichen Ananasplantage, war der
schmale, holprige und gewundene Pfad zu Ende. Nun wurden steinige Bäche und
reißende flache Flüsse zu Wegen.
Es wurde immer abenteuerlicher und das kühle, träge fließende Wasser des
Flusses stand uns oft bis zum Hals, so dass wir unser gesamtes Gepäck an
ausgestreckten Armen über den Köpfen trugen. Kein Kleidungsstück am Leibe
blieb trocken. Das spielte jedoch keine Rolle, denn es regnete mal wieder in
Strömen. Wie kleine Silbermünzen prasselten die großen Tropfen auf uns
hernieder. Da Borneo zu den niederschlagreichsten Orten der Welt gehört,
braucht man sich ja nicht zu wundern. Nachdem es wieder einigermaßen trocken
war, richteten wir uns am Ufer, an dem mit schleimigen Algen bewachsene
Steine lagen, eine Feuerstelle ein. Brennbares Holz zu finden ist gar nicht
so einfach, denn es war ja alles nass. Geschickt hatte Entalei aus
Buschmaterial einen kleinen Grill gebaut. Das Feuer brannte schon, als ich
mit meinem Holz aus dem Regenwald wieder kam. Nun war ich gespannt, wie sie
ohne Kochgeschirr Wasser kochen wollten? Das ist so einfach, da hätte ich
auch selber drauf kommen können. Ein dickes, mit Wasser gefülltes Bambusrohr
wurde schräg ans Feuer gestellt. Es dauerte keine 10 Minuten und es kochte,
ohne dass der Bambus Feuer fing. Der Reis wurde in ein großes Blatt
gewickelt und ebenfalls in eine Bambusröhre gegeben, die dann mit Wasser
gefüllt und gekocht wurde. Die Blätter ergeben dann später gleich die
Teller, von denen man mit den Finger isst. Löffel, um den Tee umrühren zu
können, wurden auch aus Bambus angefertigt.
Weiter ging die
amphibische Reise im ockerfarbenen Flussbett und ich sah eine unwahrscheinliche
Artenvielfalt an bunt gemischten Schmetterlingen, kleinen und großen
Eidechsen, zahlreichen exotischen Vögeln und natürlich den nimmersatten
Blutegeln, die sich ständig an meine Waden ansaugten, von der völlig
unüberschaubaren Zahl der Insekten ganz zu schweigen. Der in dieser Region
selten gewordene Hornbill (Kalao), das Wappentier Sarawaks, wollte sich
jedoch nicht zeigen. In den fast unberührten Wäldern Sabahs begegnete ich
ihm noch häufig. Dafür hatte ich aber das große Glück, einen seltenen Waran
zu sehen. Eine mürrisch dreinblickende Makakenbande turnte in den hohen
Baumwipfeln. Mit ungeheuer weiten Sprüngen entzogen sie sich unseren
Blicken. Als ich mich an einem Baumstamm abstützten wollte, zappelte etwas
unter meiner Hand. Es war der Schwanz eines Chamäleons. Die bizarre Insekten
fressende Echse hatte genau die Farbgebung
der
Rinde angenommen, auf der sie saß, und ich hatte sie deshalb übersehen. In
einigen hohlen Baumstämmen, die ich mit meiner Taschenlampe ausleuchtete,
entdeckte ich immer wieder schlafende Fledermäuse oder wilde Bienenstöcke.
Hinter einem altersschwarzen Baumstubben zeigte sich ein sonderbares Tier,
halb Eidechse, halb Maus. Es hatte bräunlich gefärbtes Fell, die Kopfform
einer Maus und die Beine einer Echse. Auf dem Rücken waren, wie bei einem
prähistorischen Reptil, zackenähnliche Schuppen aufgestellt. Diese verliefen
immer kleiner werdend bis zum Schwanzende. Schnell war es im dichten
Gestrüpp wieder verschwunden und ich ärgere mich noch heute, dass ich kein
Foto anfertigen konnte.
Beeindruckend waren auch die urzeitlichen Baumfarne, die links und rechts
das Ufer säumten. Weit hingen die meterlangen Farnblätter wie gigantische
Fischgräten über den träge fließenden Wildbach. Hier gibt es fast 50000
Pflanzenarten, unter anderem den Jackfruchtbaum, dessen genießbare Früchte
direkt am Stamm wachsen. Sie werden so schwer, dass die Zweige die Früchte
nicht tragen können.
Am Abend wurde es Zeit, das Lager aufzuschlagen, schnell wurden ein paar
kleine Bäume mit der Machete gefällt und mit Bändern aus Rankenpflanzen oder
Rattan zu einer knapp mannshohen Hütte zusammengebunden. Dabei half ich mit
meinem Messer aus und alle freuten sich. Für das Dach hatten wir etwas Folie
dabei, die nur noch mit geeigneten großen Blättern abzudecken war. Ein Riss
in der dünnen Plane wurde mit etwas Klebeband sorgfältig
repariert. Da ich beobachtet hatte, wie der junge Mann sich abplagte, den
Anfang des Bandes zu finden, nahm ich die Rolle in die Hand und legte das
Ende des Bandes um, so das es nicht mehr ankleben konnte. Als er ein zweites
Stückchen Klebestreifen brauchte, schnitt er das umgelegte Ende nicht etwa
ab oder ließ es einfach dran, wie wir es handhaben würden, sondern er
puzzelte die 4 mm mit seinen Fingernägeln wieder auf, denn der Dschungel
hatte ihn gelehrt, so sparsam zu sein wie eine schottische Hausfrau. Entalai
und seine Helfer zeigten mir, wie man auf Buschmannart ein Bett baut.
Besonders gut hatte ich nicht geschlafen, aber das lag nicht am
Buschmannbett, sondern am gewaltigen Quakkonzert der Frösche und Erdkröten,
die hier sehr riesig sind. Auf wellenförmigen Bahnen tanzten, mit eigenen
leuchtenden Morsesignalen, zwei Glühwürmchen. Wie Diamanten funkelten sie in
der tiefschwarzen Nacht.
Am nächsten Morgen gingen wir mit einem Wurfnetz im nahe gelegenen Fluss,
der sich mühevoll durch große, grün bemooste Steine kämpfte, erfolgreich
fischen. Unser Frühstück war damit gesichert.
Ein Hauch von Freiheit und Abenteuer lag in der Luft, als wir am Mittag
das alte, total abgeschiedene Langhaus, das fast völlig im Regenwald
eingewachsen war, erreichten. Es ist noch relativ gut in Schuss gewesen und
die Feuerstellen im Haus waren noch intakt. Sogar gute Bambusmatten zum
Schlafen hatten die ehemaligen Bewohner zurückgelassen. Ein Papayabaum wuchs
so dicht am Haus, dass wir die Früchte gleich vom Fenster aus ernten
konnten. Einer der Träger steckte sich ganz gelassen eine 40 cm lange, aus
Bambus selbst gebaute Wasserpfeife an.
In der Nacht versuchten einige Ratten an unseren verbliebenen Proviant zu
kommen, aber wir hatten ihn gut in Kunststoffbehältern gesichert. Lediglich
einige Bananen, eine Rolle Toilettenpapier und meine Socken fielen ihnen zum
Opfer. Zurück nahmen wir einen anderen Weg, der mir auch noch lange in
Erinnerung bleiben wird.
Sarawak erreicht man am besten mit Malaysia Airlines über Kuala Lumpur nach
Kuching oder Miri (mehrmals täglich). |