Völlig durchnässt und mit röchelndem Motor erreichten wir hinter einer
Flussschlinge das Langhaus der Ibans. Die verängstigten Kinder schauten mich staunend und zurückhaltend an, denn hierher kommen nur selten Besucher. Aber das änderte sich schnell, als ich einige Candys aus meiner Hosentasche holte. Die jungen Frauen mussten auf ihre "Zimmer" gehen, als ich das Haus betrat. Wahrscheinlich sollte ich nicht sehen, dass sie gänzlich nackt waren. In dem Langhaus lebte ein ganzes Dorf unter einem Dach. Die Männer dagegen bestaunten sofort mein aus Kuching mitgebrachtes Buschmesser. Ihre dunklen Augen glühten vor Eifer und Neugierde.
Die Stimmung war perfekt, als ich mich in ihrer Sprache vorstellte und sie ebenso begrüßte: "SELAMAT TENGAH HARI NAMA AKU WIELAND", was soviel heißt wie: "Guten Tag mein Name ist Wieland". Noch bevor ich meine Gastgeschenke überreichen konnte, wurde mir TUAK, scharfer Reisschnaps in Bambusbechern, angeboten. Na dann: "HU HA" (zum Wohl).
Danach teilte der Iban Chief meine Aufmerksamkeiten, die sich in einer großen Tüte befanden, genau in 22 kleine Portionen, denn so viele Familien lebten hier, und legte sie dann auf die Erde. Nun stellten sich die Ibans sehr diszipliniert hintereinander an und jeder nahm sich seinen Teil. Was das Fotografieren angeht, wurde mir auf englisch vermittelt: "... du darfst alles knipsen, nur nicht unsere Frauen."

Nachdem mir nun auf der Gemeinschaftsveranda mein Lagerplatz zugeteilt wurde, mit Moskitonetz extra für Besucher, holten die Ibans ihre Musikinstrumente und bauten sie auf. Dazu zählten mehrere Gongs, Klanghölzer und viele Buschtrommeln. Nun führten sie mir zur Begrüßung einen ihrer traditionellen Tänze auf. Erst die Männer, jeder einzeln, dann die Frauen genauso. Zum Schluss alle gemeinsam. Ihrer Aufforderung, mitzutanzen, folgte ich. Später entdeckte ich hinter einer angelehnten Tür eine über 2 m lange, reich mit Ornamenten verzierte SUMPIT (Blasrohr), die ich natürlich gleich ausprobieren wollte.
Die Ibans staunten nicht schlecht, denn noch kein Besucher vor mir verwendete den Begriff Sumpit. Jeder nannte sie auf englisch Blowpipe und noch keiner wollte sie mal ausprobieren, lediglich als Fotorequisite war sie manchmal gut. Nun kamen auch noch andere Männer mit ihren Sumpits und den dazugehörenden Bambusköchern, in denen sich die kleinen Pfeile befanden, auf die Veranda und führten mir hinter dem Haus ihre ungemein genauen Schießkünste vor. Ich konnte ganz gut mithalten, da ich bereits auf meiner vorangegangenen Amazonas – Reise - damals lebte ich bei Yagua – Indios - den Umgang mit einer Pukuna, wie dort die Blasrohre heißen, übte. Schon als ich den spitzen Pfeil, angefertigt aus der Mittelrippe eines Niponpalmenblattes, durch das Mundstück in das Rohr einschob, schauten sie. Als ich erfragen wollte, ob man mir eine verkaufen würde, wurde gleich ab gewunken.
Die Sumpits sind personengebunden, da sie jeder vom Vater übernommen hatte und der wieder von seinem. Wie sie das Pfeilgift gewinnen, wollte ich noch wissen. Aus dem Ipohbaum, dessen Rinde angeritzt wird. Der heraustretende weiße Saft wird aufgefangen und über dem Feuer getrocknet. "Meistens nehmen wir Schlangen oder Wespengift", meinte einer der Jäger. "Die Gifte können auch untereinander gemischt werden", wusste ein anderer. "Was jagt ihr denn mit der Sumpit?" fragte ich weiter. "Vögel, Affen und unsere Väter noch das Wildschwein, aber dafür haben wir schon Gewehre. Für die Jagd auf Vögel ist die Sumpit besser, verfehlt ein Schuss, hat man noch einen zweiten und das anderen Wild läuft uns nicht davon", meinten sie. "Bei einem Schuss aus dem Gewehr können wir gleich nach Hause gehen, falls er nicht trifft." Ich bewunderte die kleinen Waldmenschen, wie sie tapfer die gewaltige Natur meisterten und sogar dem Schwarzwild mit dem Blasrohr nachstellten. Wie sie den ungeheuren Reichtum des Waldes für sich zu nutzen wussten.
Da ich einfach gekleidet war und mich gut an das Leben im Busch anpasste, keine Scheu zeigte, hatte ich gleich ein prima Verhältnis zu den Menschen. Ich merkte, mich hatten sie gern. Wenn ich, trotz der Stechmücken nur mit einer Hose bekleidet, zusammen mit ihnen auf der Erde saß, fanden sie das toll. Auch dass ich ohne Schuhe lief. Forschungsreisende, die mit Stiefeln, in Reithose, feinem Hemd und vielleicht noch mit schickem Tropenhelm und vollen Koffern kommen, machen sich nicht gerade beliebt.

 

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