Myanmar ist fast doppelt so groß wie Deutschland.
Große Teile des Landes sind für Ausländer verboten, so genannte Off-limit –
Zonen. Hier kann viel passieren, ohne dass die Weltöffentlichkeit etwas
mitbekommt. Lepra und Dengue Fieber sind hier noch verbreitet, zudem ein
ganzjährig hohes Malariarisiko. 7000 Pflanzenarten sind bekannt. In den
schwer zugänglichen Bergregionen kommen noch Tiger, Leoparden oder der fast
ausgestorbene Nebelparder vor. Hier in den Highlands leben in völliger
Abgeschiedenheit die Stämme des Naga Volkes, dem Sitz der Geister nahe. Für
Fremde und Ausländer ist es erst seid 2002 möglich, dem traditionellen
Neujahrsfest der Naga beizuwohnen, dem größten Fest des Jahres. Bis 1967
wurde noch die Kopfjagd praktiziert.„Fasten Seat Belt“ leuchtet auf
den kleinen Anzeigetafeln der Chartermaschine auf.
Hkamti heißt der Ort, an dem unserer Propellerflugzeug mit den 86
Nagalandpassagieren aus Europa landet.
13.45 Uhr. Ein Bus bringt uns zum Chindwin River. Mit zwei Booten setzen wir
an das andere Ufer des Flusses, der uns von einer wilden Felslandschaft
einige Kilometer stromabwärts trennt, über. Durch die Strömung können die
langen Boote auf steuerbord nicht anlegen und müssen gewendet werden, um
backbord zu kommen. Schon jetzt werden meine Lachmuskeln
auf
eine harte Probe gestellt, als ich einige rigide Touristen der illustren
Gesellschaft beim Anlanden und Aussteigen beobachte, denn es gibt keinen
Steg.
16.00 Uhr. Es stehen sechs offene Jeeps in miserablem Zustand für die
Reisegruppe bereit. Sie sollen uns in die „verbotene Stadt“ Lahe (2000
Einwohner) bringen. Mir wird das nicht gerade Vertrauen erweckende
Geländefahrzeug mit der Nummer 2 zugeteilt. Noch ist etwas Zeit. Beim
Umherschlendern schaue ich amüsiert den Menschen beim Beladen und Einsteigen
zu. Nervös flanieren einige torpide Teilnehmer um die Vehikel herum und
wissen nicht, wie sie hinauf kommen sollen. Nachdem unser Gepäck auf der
bereits überquellenden Ladepritsche verstaut wurde, setzt sich der
desaströse Convoy nach einer guten Stunde langsam in Bewegung. Schon nach
ca. 300 Metern fällt der altersschwache Führungsjeep mit der Nummer 1 wegen
kochenden Kühlwassers aus. Nach langer Ratlosigkeit und Überlegungen der
Crew dürfen wir überholen. Staub aufwirbelnd schaukeln sich die fahrenden
Museumsstücke bis zur nächsten lästigen Panne weiter vor.
Alle Fahrzeuge sind schwer beladen. Zwischen Kisten, Säcken und Kanistern
hocken wir gequetscht auf den viel zu engen Sitzbänken, unter den Füßen die
Koffer der Reisenden. Die Guides und die bewaffneten Soldaten ( wir fahren
in ein militärisches Sperrgebiet. Ein fakultatives Anreisen ist nicht
möglich ), die unseren Treck begleiten, trampeln auf unseren Gepäckstücken
herum und machen es sich auf ihnen sorglos bequem. Mein Rucksack saugt das
Waffenöldieselgemisch der gut gereinigten Maschinenpistole, deren Lauf auf
ihm liegt,
gierig auf. Mit jaulenden Motorengeräuschen quälen sich die Jeeps die
staubige, steil ansteigende, kilometerlange Serpentine hinauf. An den engen,
scharf geknickten Haarnadelöhrkurven bleiben die Fahrzeuge stehen und drohen
zurückzurollen. Die Leistungen der Motoren reichen nicht mehr aus. Jetzt hat
der prädestinierte Bremser, der draußen auf dem Trittbrett der Fahrertür
mitfährt, alle Hände voll zu tun. Schnell springt er herunter, greift sich
einen der mitgeführten Bremsklötzer und stellt ihn in Windeseile, präventiv
hinter eines der Hinterräder. Ein weiterer Helfer rennt flink wie ein Wiesel
zur nächsten Kurve zurück, um die nachfolgenden Fahrzeuge zu warnen, damit
sie nicht mit Vollgas die nächste Steigung anfahren, um dann nicht auf ihr
anhalten zu müssen. Auf der engen, diffizilen Piste ist ein Überholen oder
Vorbeifahren nur selten möglich. Stück für Stück arbeitet sich unser
morbider Jeep bergauf. Der Bremsklotz wird Zentimeter für Zentimeter
nachgeschoben. Der kleinste Fahrfehler könnte schwere Folgen haben. Vor den
gähnenden tiefen Abgründen gibt es keine Leitplanken. An jeder Stelle, wo
ein Bach oder Fluß den Weg kreuzt, wird angehalten und mit einem alten
Kunststoffkanister Wasser geholt, um den Kühler und die heißen Schläuche
abkühlen zu können. So wird es die nächsten fünf Stunden auf der
abenteuerlich geschwungenen Piste weiter gehen. Mein Stimmungsbarometer
sinkt mit der langsam untergehenden Sonne. Die Luft kühlt sich empfindlich
ab. Eiskalter, beißender und scharfer Fahrtwind pfeift uns mit ganzer Kraft
unerbittlich mit arktischen Gefrierfachtemperaturen entgegen. Der helle Tag
wird nachtgrau und es kehrt völlige Finsternis ein. Unsere Anfahrt entpuppt
sich immer mehr als ein Überlebungstraining. Der Weg hat es in sich und das
schwindende Sitzfleisch wird nun gnadenlos gefordert, während wir die
dreckigen Staubschwaden des voran fahrenden Vehikels petschiert schlucken und
das Steißbein kommuniziert nun mit der hammerharten Sitzpritsche. Die
Verwirklichung eines Traumes rückt mit jedem Kilometer auf der Buckelpiste
näher. |