In  dieser Zeit fallen mir die imposanten
Jagdpfeile auf, die an einer Wand stehend gelagert werden. Sie haben eine Länge von 2,20 m. Mein Interesse wird bemerkt und mir werden Pfeile mit Bogen zum Kauf angeboten. "50 000 Bolivares", übersetzt Flaco. Nun wusste ich aber von dem deutschen Koch der abreisenden Fischexpedition am Rio Negro, mit dem ich mich kurz austauschte, das 2 Pfeile und ein Bogen 25 000 Bolivares kosten und ich malte mit dem Zeigefinger meiner rechten Hand eine 25 in den pulvrigen Sand und zeigte noch mal auf die guten Pullover aus Deutschland, die am liebsten Flaco und Monte für sich behalten hätten. Sofort war man einverstanden und ich bekam einen Bogen und 3 Pfeile. Geht doch!

Am frühen Nachmittag räumen wir das Feld und machen uns weiter in Richtung Orinoko auf. Mit einer ca. 2 m langen Holzstange sitzt Anru vorne auf der Bugspitze und misst das Lot. Kurz angedeutete Handzeichen genügen Monte, der hinten am Suzukimotor sitzt, um das Boot zu steuern. Wenn die Schraube gegen einen Stein schlagen würde, wäre unsere Abenteuerreise für sehr lange Zeit unterbrochen. Es gibt keine Satellitenverbindung und in den nächsten Tagen werden wir auch auf kein anderes Boot treffen. In Pavon gibt es wieder gesunden Fisch zum Essen und das schwere Metallspeedboot wird kraftraubend auf das Dach der Flor gewuchtet.

Am weitentfernten Nordufer des Casiquiare entdecke ich etwas. Mit einer Hand deute ich in diese Richtung. Monte ruft: "Jaguar, Jaguar!" Als wir näher kommen stellen wir fest, dass es sich um einen Riesenfischotter handelt. Hinter einem umgestürzten Baum versteckt er sich. Wieder vergesse ich zu filmen und greife zum Fotoapparat. Ärgerlich, denn die Digitale verfügt über eine dreimal längere Brennweite als meine Kamera. Deutlich kann ich erkennen, wie er uns durch eine Lücke im Geäst beobachtet. Dabei glaubt er wahrscheinlich, dass wir ihn nicht sehen können. Doch lange hält er an seiner Tarnung nicht fest und nimmt reis aus. Farbenfrohe Eisvögel sind nun unsere ständigen Begleiter auf unserer bilderreichen Fahrt.
Porvenir (22 Einw.) erreichen wir am Abend. Das lastende Boot auf dem Dach muss wieder herunter gebuckelt werden. Da die Flor unten zu leicht war, bekamen wir problematische Balanceschwierigkeiten. Im Ort hielt sich nur ein Mann mit seiner Frau und zwei Kindern auf. Alle anderen waren in Puerto Ayacucho zum Karneval. Andru nimmt die Hündin Chucuta mit ihren zwei Welpen Capiguara und Porvenir mit an Bord. In seinem Wohnort gibt es nämlich keine Hunde.
Am nächsten Morgen werde ich von einem seltsamen Schnauben und Pusten geweckt. "Pfffff, pfffff", hört sich an wie Delphine. Verschlafen schaue ich über die Reling und ich traue meinen Augen nicht! Ein Flussdelphin taucht ganz dicht vor mir auf und zeigt mir seine graue Schnabelschnauze! Bald erscheint ein Zweiter. Da ich nicht ahne, wo sie demnächst auftauchen, weiß ich auch nicht, wo ich die Kamera hinhalten soll. So bekomme ich nur Aufnahmen von den abtauchenden Delphinen. Musikalisch wird das ganze Schauspiel vom Backgroundgesang einer Brüllaffenhorde am gegenüberliegenden Urwaldsufer untermalt.
Wieder muss die Flor durch die flachen Wasser des verlorenen Flusses manövriert werden. Keinen Moment lässt der Bootsführer den Fluss aus den Augen. Purpurrote Aras mit blauen Schwingen ziehen über den Rio Casiquiare. Immer wieder streichen fischende Reiher vor uns ab. Stillstehend verharrt ein Mirasol (Rohrdommel) am geschützten Ufer. An den steilen Erdwänden bemerken wir die waagerechten Neströhren einer Uferschwalbenkolonie. Im seichten Wasser sehen wir mehrere Piranhas. Ich frage Flaco, ob ihm beim Baden schon mal Piranhas gebissen hätten. Er bestätigt das und zeigt mir weiße Punkte an seinen Fingerspitzen und an Hacken und Ferse.

 

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