Von Capiguara bis "wo der
Orinoko sich gabelt" sind es ca. noch anderthalb Tage. Heute mit einem
Speedboot wenige Stunden. Die Aussage meines Begleiters ist damit
entkräftet.
Gut, ein Nachtlager könnte er hier aufgeschlagen haben.
Andru zeigt mir einen alten rostigen, geschmiedeten Nagel. Dieser soll
angeblich von Humboldts Schiff stammen. Ein gigantischer, in zwei Teile
zerbrochener Felsbrocken prägt die Aussicht. Eine weitere Attraktion ist
ein höhlenähnliches Felstor, das über einige Petroglyphen verfügt (5 min.
Fußweg). Die einzige Fledermaus, die hier an der niedrigen Decke hängt,
flattert mich beim Hineingehen an. Auf Borneo kroch ich in eine Höhle mit
über zehntausend Fledermäusen und nicht eine berührte mich.
Als die Märzsonne zur Neige ging, geht auch eine Cocktailflasche nach der
anderen in die gutgelaunte Runde. "Krokodile, Krokodile!", ruft einer.
"Wo, wo?" Im Taschenlampenlicht, am weit entfernten Ufer glitzern 2 Augen.
"Vielleicht Kaiman? Nein Krokodile." Schnell das große Blitzlicht auf die
Kamera und dann durch den mondhellen Wald versuchen an das Ufer zu kommen.
"Nein, nein! Lass Andru mit der langen Machete vorgehen." Als wir die
Stelle erreichen war das Kroko natürlich schon weg. Andru gab mir zu
verstehen, das er wisse, wo sich Kaimane aufhalten. Rafael macht ein
schmales Boot klar. Flaco ruft mir noch hinterher, dass ich mich in die
Mitte setzen soll und nicht bewegen darf. Meine Herren, das ist ja
wirklich eine wackelige Kiste! Nun dreht Rafael den kleinen Motor voll auf
und Anru sitzt vorne auf der hageren Bugspitze. Wir biegen in einen
finstreren Seitenarm des Casiquiare, der vom Schein des Mondes nicht
erhellt wird. Im Taschenlampenlicht funkeln die ersten
Kaimanaugen. Rafael hält voll drauf. Wie von der Tarantel gestochen machen
sie sich aus dem Staub. Bis auf einen. Dieser liegt etwas weiter vom
Wasser entfernt und drückt sich. Unter dichtem Geäst hat er auch gute
Deckung. Wir landen an und steigen aus. Rafael hält den Lichtkegel seiner
Lampe direkt auf den Kopf des Tieres, so dass ich in der Dunkelheit gut
fotografieren kann. Die Schärfe ziehe ich auf das schauerliche Auge des
urzeitlichen Reptils, das mich voller Groll anschaut. An einer anderen
Stelle befinden sich mehrere Jungtiere. Blitzschnell wirft sich Rafael
dazwischen und fängt einen mit der bloßen Hand. Eins, zwei, drei ist der
Kaiman schon im Boot und zappelt mir zwischen den Füßen herum. Wir fahren
zurück und ich muss feststellen, das der Alkohol bei Andru Wirkung zeigt.
Unkontrolliert fuchtelt er übermutig mit seiner scharfen Machete kreisend
über seinem Kopf. Hinter ihm sitzend muss ich mich abducken, sonst werde
ich einen Kopf kürzer gemacht. Zusammen gekauert bleibe ich ruhig sitzen,
denn Raffael hat schon Schwierigkeiten das Boot zu steuern. Er ruft ihm
was nach vorne doch der beduselte Andru hört nicht. Nun bemerke ich die
leere Cocktailflasche hinter ihm. Außer Rand und Band haut er die scharfe
Machete immer wieder nach hinten und nach vorne. Bald liegt sie auf meiner
rechten Schulter und ich beuge mich langsam nach links, denn ich darf doch
keine schnellen Bewegungen
machen.
Nun nimmt er die Machete quer in den Mund und hält sie mit seinen Zähnen
fest. Wild dreht er sich zu mir um und will mir imponieren. Seine Beine
streckt er dabei weit nach vorne, so dass die Hacken seiner Gummistiefel
das Fahrwasser hoch aufspritzen lassen. Blitzschnell schiebe ich die
Kamera unter mein Hemd und schon bin von oben bis unten durchnässt. Rafael
mahnt ihn wieder fruchtlos an. Nun verliert Andru sein Gleichgewicht und
fällt rücklings nach hinten. Dabei bricht er fast das aufgesetzte
Blitzlicht von meiner Kamera ab. Später erfahre ich von Axel, dass Andru
einen Splint in der Pfanne hat. Das habe ich gemerkt.
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