Die fünfte Nacht verbringen wir
auf einer Sandbank. Diese teilen wir uns mit einem pechschwarzen Corocoro
Negro Vogel (Mesembrinibis cayennensis). Auch entdecken wir eine Stelle,
wo sich ein Krokodil in den Fluss gleiten ließ. Die Spuren sind eindeutig
erkennbar. Auf einmal gibt es einen Ratsch. Monte und ich fangen scherzend
an zu lachen. Flacos Hängematte ist durch die Feuchtigkeit mürbe geworden
und in zwei Hälften gerissen. Plumps saß er auf seinem Hintern mit einem
Bein noch oben. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu
sorgen. Wir hatten aber noch eine Reservehängematte dabei.
Bald erreichen wir Tama Tama am Orinoko (Wo der Orinoko sich gabelt).
Wieder gibt
es
einen Stempel in meine Papiere. Wir besuchen ein weiteres Yanomamidorf.
Flaco und Monte heißen noch ein paar indianische Amigos willkommen. In
einer Siedlung am Südufer des Orinoko werden wieder die Kumpels begrüßt.
Ihre Feuerstelle nutzt Flaco profitierend aus. Holt eine große Tüte Nudeln
von der Flor und lässt sie von der Frau des Hauses zubereiten. Der
Kochtopf wird fast bis zum Rand voll mit den gequollenen Nudeln sein. Als
wir unseren Teil bekommen haben, nehmen sich die Familienmitglieder den
Rest gleich mit den Fingern. Kurz war ich mal vor der Tür, um frische Luft
zu schnappen, als ich wieder kam, um mir etwas Nachschlag zu nehmen, war
der Topf leer wie ausgeleckt.
Am Abend geht uns der Sprit aus. Aus allen Fässern werden nun die letzten
Reste herausgeholt. Damit kommen wir noch ein ganzes Stück stromabwärts.
Wir wissen aber, das Axel in Samariapo auf dem nächsten Schiff, das in
Richtung Rio Negro ausläuft, ein kostbares Fass Benzin für uns mitgeben
wird.
In der Nacht lassen wir die Flor unbehütet auf dem Orinoko treiben. Des
öfteren muss sie vom Ufer wieder in tiefes Fahrwasser manövriert werden.
Am Morgen treiben wir an mehreren hundertmeterlangen Inseln vorbei. Auf
diese übernachtete Humboldt des öfteren, um sich vor den Jaguaren zu
schützen. Hoffentlich ist unser entgegenkommendes Boot nicht gerade auf
der anderen Seite der hochbewaldeten Insel, man kann nämlich nicht
einsehen. Auf der Kuppel eines herausragenden Flussbettsteins sonnt sich
eine Schildkröte. Salopp lässt sie ihre Schwimmbeine über das Felsgestein
herüberbaumeln. Obwohl wir noch 50 m entfernt sind, flüchtet sie. Bald
machen wir sauf Backbord ein großes Bongo aus. Es ist die Julia Marina und
sie hat 275 Liter Sprit für uns an Bord (und 4 Liter Coca Cola). Das
Flusswassergesöff hat erst einmal ein Ende. Zum Dank reicht Flaco eine
Cocktailflasche herüber.
Ein stimmungsvoller Sonnenuntergang klopft an die Tür des Abends.
Übernachtet wird am Ufer des Orinoko. In der Nähe von San Antonio. Hier
liegt schon ein Holzbongo
und
uns wird gegrilltes Tapirfleisch zum Abendessen angeboten. Monte sieht,
dass sie drei Hühner in einem engen, geflochtenen Korb halten. Er will sie
für 30 000 Bolivares abkaufen. Der Besitzer ist einverstanden. "Wieland,
hast du mal 30 000 Bolivares?" "Ja, im Boot." Da ich gerade so gemütlich
am Feuer sitze, bin ich zu bequem, sie zu holen und wir verschieben den
Deal auf Morgen früh. In der Zwischenzeit hatte der Mann die Hühner an
jemand anderen verkauft. Möchte mal wissen, wo derjenige mitten in der
Nacht herkam?
In San Fernando de Atabapo die letzte Militärkontrolle und der erste
Kontakt mit der zivilisierten Außenwelt. Telefonisch wird Axel informiert,
das wir in wenigen Stunden Samariapo erreichen werden. Bei dortiger
Ankunft steht ein auf uns wartender Jeep bereit, der uns nach Puerto
Ayacucho bringen wird.
Eine halbe Autostunde von Puerto Ayacucho macht mich Axel mit dem
Piaroaindiana Antonio bekannt. Er soll für mich am nächsten Tag als Guide
fungieren. Davon bekommen andere Indianer Wind und bestellen Axel um 16
Uhr in ihr Dorf um Rat zu halten. Sie bangen um ihr Land und vermuten,
dass ich gekommen bin, um einen günstigen Platz für ein Urwaldscamp
auszuspionieren. Man will verhindern, das Weiße Geschäfte mit ihrem
Territorium veranstalten und später viele Touristen herkommen. "Da kannst
du mitkommen, dann erlebst du Mal was", meint Axel.
Wir sind pünktlich und werden schon erwartet. Baumstubben wurden als
Sitzgelegenheit bereitgestellt. Axel begrüßt alle Anwesenden mit einem
selbstbewussten Handschlag. Die Mädchen bekommen noch einen Bussi dazu. Da
der betagte Häuptling nur indianisch spricht, wird ein jüngeres
Stammesmitglied die
Verhandlung
führen und dolmetschen. An den gefälligen Gesichtern können wir ablesen,
dass es zunächst zu keinem Disput kommen wird. Zumal der Häuptling
gelangweilt mit einem Stock, vor sich auf dem Boden, abstrakte Kringel in
den lockeren Sand zeichnet. Ein Schälchen Suppe wird gereicht und nach 30
min ist die Sache ausgestanden. "Nein, nein", meint Axel später, das war
nur die Vorrunde. Das dicke Ende kommt noch.
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