20 Autominuten von Antonios
einfacher Behausung geht es zu Fuß in die Wildnis. Bei
Waldindianern
ist es üblich, dass sie bei Bushtouren Kind und Kegel mitnehmen. Die
Tochter Esperansa und seine Frau Rosa mit ihrem Kleinkind werden mich
begleiten. Ein indianischer Jäger schließt sich uns an. Rosa ist eine
geschickte Taranteljägerin. An den Erdlochbehausungen der nachtaktiven,
borstigen Spinnen zeigt sie mir ihre Fingerfertigkeiten. Mit dem Mund
feuchtet sie ein Ende einer ca. 60 cm langen, dünnen Rankenpflanze an. Die
Seite mit dem humiden Teil wird zwirbelnd in die Öffnung der Erdhöhle
geführt. Langsam wird sie wieder zurückgezogen. Das Spinnentier lässt sich
so täuschen und folgt dem Beuteplagiat nach draußen (oder auch nicht).
Nach knapp 4 Stunden erreichen wir an einem schmalen Urwaldfluss das
Basislager. Sofort wird der Rucksack abgeschultert und rein in das
erfrischende, nasse Element. Ein schwarzgelber Feilgiftfrosch muss als
Fotomodell herhalten. Dieser ist damit aber überhaupt nicht einverstanden.
Immer wieder fange ich den agilen Hüpfer ein und setze ihn an seinen
Ausgangspunkt zurück. Unsere durchgeschwitzten Kleidungsstücke werden von
hunderten Fliegen belagert. Sie erinnern eher an zu klein geratende
Honigbienen. Eine andere aufdringliche Art versucht ständig Feuchtigkeit
aus meinen Augen zu bekommen. Beim Schließen der Sehorgane bleiben sie
quälend zwischen den Wimpern hängen.
Ein
Regenschauer kündigt sich an. Schnell überspanne ich mein Moskitonetz mit
einer mitgeführten Malerfolie. 70 sek.- fertig! Meine Companeros sind
platt vor Erstaunen. Sie dagegen müssen erst mit der Machete kleine Bäume
schlagen eine tragende Konstruktion bauen und viele große Blätter
heranschaffen. Dauer 15min.
Nach Anbruch der Dunkelheit starten wir eine Safari in die Schwärze. Wir
entdecken pferdeapfelähnliche Tapirlosung (es riecht hier
auch
so), viele merkwürdige Nachtinsekten, kleine Skorpione und natürlich sind
die nachtaktiven Taranteln nun zahlreich unterwegs. Um Batterieenergie zu
sparen, habe ich meine Taschenlampe ausgeschaltet und orientiere mich
hinter Antonio. Sein Licht reicht mir, um zu sehen, wo ich hintrete.
Leider erkenne ich in der Dunkelheit die tief hängenden Äste nicht und ich
laufe mit meiner Stirn schmerzlich dagegen. Antonio hat es gut. Er ist
klein und läuft unten durch. In einem ausgetrockneten Flussbett macht sich
das permanent Nachuntengucken nun bezahlt. Zwischen Antonios hohen
Gummistiefeln zappelt im bleichen Licht seiner Lampe ein Seilende.
Seilende? Wie kommt denn hier ein Seil hin? Antonio ist schon drüber
hinweggelaufen und es wippt immer noch hin und her? Vorsichtshalber bleibe
ich stehen und schalte meine Taschenlampe ein, um der Sache auf den Grund
zu gehen. Wou! Mit aufgerichtetem Kopf schaut mich eine im Kiesbett
liegende Lanzenotter an. Sie macht keine Anstalten um zu fliehen. Im
Gegenteil, sie bleibt vollkommen unbeeindruckt von mir und ich habe alle
Zeit der Welt um die Kamera klar zu bekommen. Sie lässt mich auf 1,30 m
herankommen. Sie würde sogar noch mehr zulassen, aber ich traue mich
nicht.
"Beim Beißen öffnet die Lanzenschlange den Rachen entsetzlich weit,
haut kräftig vor, ringelt sich nach dem Bisse schnell wieder zusammen und
macht sich zu neuem Angriff bereit. Die Folgen des Bisses sind
fürchterlich: Schwellung des verwundeten Teiles, Erbrechen, Zuckungen,
Herzweh, unbesiegbare Schlafsucht und Tod nach wenigen Stunden oder Tagen,
im günstigsten Falle aber jahrelanges Leiden". Alfred Brehm
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