Unser Weg führt über schwarz verkohltes, am Boden
liegendes Laub. Hier, wo es schon gebrannt hat, kommt die korrodierende
Flammenhölle nicht mehr hin. Die Glut
der umgestürzten, verbrannten Urwaldriesen strahlt eine eminente Hitze ab.
Schnell gehen wir vorbei, denn es ist ohnehin schon unerträglich heiß genug.
Erneut ändert die Vegetation ihr Gewand. Die floristischen Kontraste knallen
prachtvoll. Rough Bush Streblus asper lour und Erythrina indca Bäume tauchen
auf. Dazwischen stehen frappante, mit roter Borke versehene Chombok – Bäume
(kambodschanischer Name). Aufgepasst werden muss bei Tigers Claw Erythrina
indin, ein Baum mit knochenharten und langen Dornen. Ein Meisterwerk der
Natur. Mit ihm werde ich noch öfter konfrontiert. Schrammen und Kratzer sind
nun vorprogrammiert. An einer zugewucherten Wegbiegung hängen
lianenähnliche, besenstielstarke Stränge herunter. Nife kappt sie mit seinem
scharfen Haumesser, das eher an ein Fleischermesser erinnert. Aus den
Schnittstellen fließt eine wässrige, trinkbare Flüssigkeit. Er hackt für
jeden von uns ein großes Stück heraus. Dieses halten wir hoch in die Luft
und stellen uns mit weit geöffneten Mündern darunter. Der frische
Pflanzensaft tropft zügig fließend in den Mund. Der
Geschmack erinnert mich an etwas, auf das ich noch nicht gekommen bin. Lim
nennt die Pflanze Wine Water und erklärt mir, dass sie nicht stirbt. Der
gespeicherte Flüssigkeitsvorrat reicht bis zur nächsten Regenzeit. Dann wird
sie an den Schnittstellen Wurzeln bilden, die bis zum Boden herunter
wachsen. An einem wenig Wasser führenden Flusslauf legen wir um 15.40 Uhr eine
Pause ein. Temperatur 31°C und das mitgeführte leichte Hygrometer steht auf
54% Luftfeuchtigkeit. Hunderte von fulminanten Schmetterlingen flattern
durch die schwüle Luft, rote und stahlblaue Libellen mischen sich
dazwischen. Eine olivgrüne, blindschleichenkleine Schlange verschwindet
schnell unter dem dichten Laub. Lim und ich vertreiben uns die Zeit mit
Armbrustwettschießen. Nun sehe ich, dass Nife einige Pfeile vergiftet hat.
Ich frage, was das für ein Gift sei. Über Lim erfahre ich, dass es ein
siebenfacher Cocktail ist. Er besteht aus: Chili, starken Tabak, einer
Weinsorte, Kobra, dem giftigen Saft einer Frucht und eines Baumes und einer
giftigen Krabbenart.
Ein fasangroßes Waldhuhn fliegt vor uns auf und ein rotbraunes Eichhörnchen
sucht das Weite. An einem schulterhohen maroden Baumstubben entdecke ich
eine außergewöhnlich gefärbte, 3 cm kleine Fangheuschrecke, einer
Gottesanbeterin ähnlich. 17.00 Uhr, wir erreichen wieder einen schmalen,
flachen Bachlauf.
Kolbenbrandkäfergroße Kaulquappen tummeln sich in ihm. Das Wasser, auf dem
viele modrige Blätter schwimmen und das kaum eine Fließdynamik hat, gefällt
mir nicht. Das bunte Laub auf dem Grund sieht aus wie ein Herbstboden. Nife
und Lim meinen aber, dass dies die einzige Wasserstelle in dieser Region
ist. Es ist Trockenzeit. Hier lagern auch die erfahrenen Jäger. Aus der
Asche der Feuerstelle steigt noch eine kleine senkrechte Rauchfahne auf. Die
Glut ist noch nicht verglimmt, so dass wir ohne Feuerzeug auskommen. Unsere
Vorgänger haben in Bambusröhren gekocht, ihre Spuren sind noch deutlich zu
erkennen. Lim will unsere Nudeln und das Grünzeug braten. 3 Steine dienen
als Herd. Nife geht Wasser holen und ich folge ihm, um zu schauen, ob er
eine gute Stelle auswählt. Er läuft ein Stück flussaufwärts. An einer
ockersandigen Ausbuchtung bleiben wir stehen. Nife gräbt ein ca. 30 cm
tiefes Loch in den Boden. Aus dem Aushub bildet er einen ca. 15 cm hohen
Ringdamm drum herum. Ein Wasserfilter a la Rüdiger Nehberg. Schnell füllt
sich die Erdgrube mit klarem Wasser, sauber wie eine OP-Schwester. Ich bin
beruhigt, denn mit dem 5 Min. Abkochen nimmt man das hier nicht so genau.
Einem auf dem Boden liegenden starken Ast wird mit dem Haumesser die
Oberfläche geglättet, so dass eine kleine Küchenplattform entsteht. Hier
bereitet Nife hockend das mitgeführte, kaum gewürzte Schweinefleisch zu. Die
Fleischstücken hängen über die saubere, viel zu kleine Arbeitsfläche
herüber, so dass sie die staubigen Astseiten kontaktieren. Ein Fleischbrocken
fällt ihm sogar daneben und landet im Schmutz. Verstohlen schaut er zu mir
herüber, ob ich es auch nicht gesehen habe. Schnell und heimlich legt er es
wieder zu den anderen, so als ob nichts gewesen wäre. Dutzende,
libellenartige Schlupfwespen umlagern uns im Schwirrflug. Später gibt es als
Nachtisch frischen weißen Rattanmark, der gleich neben der Kochstelle
wächst. Jetzt wird es Zeit das Nachtlager einzurichten, denn um 17.30 Uhr
klopft der Sonnenuntergang an die Tür. Lim und Nife spannen ihre Hängematten
auf. Ich mache es mir auf dem Waldboden bequem und Lim fragt: „Warum nimmst
Du Deine nicht?“ - „Welche Hängematte?“ - „Na die in Deinem Rucksack.“
Tatsächlich, Lim hatte eine in meinem Rucksack verstaut. Sie war im
Moskitonetz eingewickelt, so dass ich sie nicht sehen konnte, und
ich
wunderte mich schon, warum das Moskitonetz so schwer war. Lim hatte es gut
gemeint, denn er konnte nicht wissen, dass ich in Hängematten nicht schlafen
kann. Nun buckele ich sie umsonst durch den Busch. Lim fragt, ob ich keine
Angst vor dem Viehzeug am Boden wie Skorpionen usw. habe. Ich zeige ihm
meinen Biwaksack. 20.00 Uhr, 20°C und 86% LF. Auf dem Rücken liegend schauen
wir in den samtschwarzen asiatischen Nachthimmel. Direkt über uns befindet
sich das Sternbild Orion. Plötzlich, mitten in der Nacht, springt Nife aus
seiner Hängematte. Er läuft zur Feuersglut, nimmt einige noch glimmende
Zweige, sammelt etwas trockenes Laub und Kleinzeug zusammen. So entsteht ein
fackelartiges Etwas. Damit hetzt er zu dem Baum, an dem unser Proviant
aufgehängt ist. Hunderte von Ameisen sind im Anmarsch, um sich darüber
herzumachen. Nun zündelt er den Stamm mit den offenen Flammen ab. Am Boden
schiebt er mit den Füßen einen Kreis aus Laub um den Baum zusammen und setzt
ihn in Brand. Kleinere Zweige werden nachgelegt. Der so entstehende Glutring
wird eine unüberwindbare Barriere für die Insekten sein. |