6:10 Uhr, 22°C und 73% LF. Das Feuer wird in Gang
gebracht und Lim haut uns ein
paar
Hühnereier in die Pfanne. Nife will noch einige agile Vögel jagen. Obwohl er
genügend Pfeile im Köcher hat, trifft keiner. Wir packen zusammen, eine
kleine Bergsiedlung soll das Ziel sein. Nach einiger Zeit stoße ich hart mit
dem rechten Fuß an einen kleinen Baum und es regnet bräunliche Ameisen. An
den schweißnassen Unterarmen bleiben sie wie an einem Fliegenfänger haften
und kleben fest wie die Scheiße am Hintern eines Schafes. Sofort beißen sie
wild und fürchterlich zu. Blitzschnell fahre ich mit meinen Händen darüber
und zermalme sie. In der Ferne höre ich das krachende Geräusch eines
umstürzenden Baumriesen. Ich denke an Holzfäller, aber ohne
Kettensägengejaule? Bald kracht es wieder. Lim erklärt mir, das Feuer habe
sie unten durchgebrannt und sie knicken jetzt ein, wie Grashalme. Nun
erreichen wir den weißen Salei – Hochwald wieder. Der Boden ist rabenschwarz
soweit das Auge reicht. Es muss ein Gegenfeuer gegeben haben, denn mittendrin
ist ein ca. 40 cm breiter unverbrannter Streifen geblieben. Es sieht aus,
als hätte jemand hier einen Wanderweg angelegt. Die Brettwurzeln eines
mächtigen Baumriesen sind völlig weggekohlt. Er steht sage und schreibe nur
noch auf dünnen Streichhölzern. Lim ruft: „Weg hier, weg hier, der knickt
auch gleich ein schnell, schnell“!

Mühsam erreichen wir felsiges Terrain, durch das sich ein kleiner Fluss
windet. In einem lagunenähnlichen Seitenarm hat sich das klare Wasser
gesammelt und es ist eine überdimensionale Natursteinbadewanne entstanden.
Hier werden wir lagern und unseren Lunch einnehmen. Nife legt eine
Feuerstelle an. Lim und ich nehmen im kühlen frischen Wasser ein erholsames
Bad. Auch hier werden wir von vielen großen Schmetterlingen besucht, die an
unsere einheimischen Trauermäntel erinnern. Gefährten des Augenblicks. Ich
versuche etwas über das Kouprey - Rind zu erfahren, das man hier ca. 1937
entdeckt hat und das seit 1976 als ausgestorben gilt. Eine 1986er
Suchexpedition hat es wieder entdeckt, aber seit 1988 wurde es nicht mehr
gesehen. Kürzlich hat man wieder Fährten gefunden und auf Märkten wurden
seine Hörner zum Kauf angeboten. Beide Männer wissen nichts darüber.
Als wir die einfachen Hütten der Bergsiedlung erreichen, disponiere ich um.
Es sind kaum Einwohner da, die ich doch fotografieren wollte. Eine
Übernachtung bringt hier nicht viel. „Wie weit ist es bis Kalai Two?“ -
„Wenn wir gut laufen, knappe 5 Stunden.“ - „Es ist kurz nach 13.00 Uhr, das
schaffen wir noch vor Sonnenuntergang.“ - „Okay, da können wir bei Nife
schlafen und ich fahre dich morgen mit dem Bike in ein anderes Dorf.“
Kalai
Two. Lim und ich richten uns im schwachen Schein der Kerzen auf dem harten
Boden der Veranda von Nifes Pfahlhaus ein. Hier lebt er mit seiner Frau und
fünf Kindern. Es hat zwei ca. 10 m² große Zimmer. Gewaschen wird sich an der
Dorfpumpe. Gegenüber ein kleines landestypisches Straßenlokal. Abends gibt
es täglich Karaoke, wir sind dabei. Ich zähle 18 nationale VCD’s. Diese
laufen hier Tag für Tag. Auf dem Tisch steht eine giftgrüne
Plastikkasserolle voll mit Reiswein, darunter der festgetretene Müll. Jeder
hier hat ein 100 g Schnapsglas. Diese werden von einer Art Kellner ständig
schöpfend nachgefüllt. Dabei taucht er nicht nur das Glas, sondern auch
gleich die Finger mit unter. Ein Funkmikrofon macht die Runde, und die
pokulierenden Männer singen zu der schlagerartigen Pop-Musik von Sompon Mi
Dada. Um uns herum die bunte Dorfbevölkerung. Einige Frauen sind in reine
Seide gehüllt und die kleinen Mädchen haben sich wie große Schauspielerinnen
geschminkt. Party pur! Die fröhlichen Gesichter täuschen in Wirklichkeit
über die harte Realität der unendlichen Armut und Verschlamptheit hinweg. Um
21.00 Uhr ist Zapfenstreich. Das Aggregat wird abgeschaltet
In der Nacht poltert laut muhend eine kleine Rinderherde um das Haus. Nife
geht hinaus und schafft Ordnung. Am Tage sah ich die Tiere mit den
auffallend langen Halslappen schon, aber sie waren so scheu, dass ich kein
Foto schießen konnte. War ich links, waren sie rechts, und umgekehrt, ich
vor dem Haus, sie hinter dem Haus... Nach einigen Minuten wurde mir das zu
dumm und ich gab auf.
Am nächsten Morgen suche ich das Klosett. Es gibt keins. Ich soll hinter die
Büsche gehen. Da müsste ja alles voll gekotet sein und ich passe auf, wo ich
hintrete. Erstaunlicherweise entdecke ich keine Fäkalien? Als ich mit meinem
Geschäft noch
nicht ganz fertig bin, kommt ein großes, grunzendes Schwein auf mich zu. Es
hat schon Witterung genommen und es passiert genau das, was ich mir schon
dachte. Kaum bin ich weg, ist es dabei..... genussvoll wirft es den festen
Stuhl mit der Schnauze etwas in die Luft und..... Das erinnert mich an
Borneo, als ich einmal im Sukau – Regenwald bei 48 Stunden Dauerregen in
meiner Pfahlhütte festsaß. Das Hochwasser stieg bis zur Oberkante der
letzten Stufe an. 2-3 cm höher und ich wäre abgesoffen. Wo oder wie will man
sich im brusttiefen Wasser hinhocken und die Notdurft verrichten? Man drückt
also beim Schwimmen ab. Sofort kommen die Fische und fressen nicht nur das
erledigte, sondern säubern dir beim Schwimmen auch noch das Hinterteil. Sehr
gewöhnungsbedürftig.
Am darauf folgenden Morgen kam mein zurückgelassenes Gepäck mit den
Gastgeschenken hier an. Für Nife lasse ich eine derbe Hose da, sie passt ihm
wie angegossen. Für seine Frau ein T-Shirt und 5 Paar Kindersocken. Lim
beschlagnahmt, wie abgemacht, das Fishbone- Sweatshirt. Nun holt er das Bike,
das er über Nacht in
einem verschließbaren Hühnerverschlag unter dem Haus sicher abstellte. In
Banlung hatte man nämlich vorletzte Nacht eines gestohlen. Auf
Fotomotivsuche klappern wir nun die umliegenden Ortschaften ab. Lim soll nur
Siedlungen anfahren, wo die Touris mit ihren Jeeps nicht hinkommen. Das
Fotografieren ist hier nicht einfach. Fremde sind die Einwohner nicht
gewohnt und fotografieren lassen wollen sie sich schon gar nicht. Die Kinder
verschwinden, wie die Sonne hinterm Horizont. Jetzt ist viel
Fingerspitzengefühl und gut 25 Jahre Reise- Know-How gefragt. Ich war an so
vielen Orten auf allen Kontinenten, habe die verschiedensten Menschen
kennen gelernt, aber das hier ist wirklich eine harte Nuss. Zögerlich nehmen
sie meine Gastgeschenke wie T-Shirts und die noch original verpackten
Kindersocken an, aber keine Fotos. Nun muss ich alle Register ziehen. Ich
kann doch nicht ohne gute Fotos nach Hause
kommen.
Keiner spricht englisch. Lim muss ran, negativ. Bevor der Fototraum wie
Butter in der Sonne schmilzt, lasse ich nun mein ganzes Charmeaufgebot
spielen und sehe mich vor, damit ich nicht das Kind mit dem Bade auskippe.
Einige junge Muttis lächeln. Ich schöpfe aus meiner unbesiegbaren Quelle des
Humors und deute Faxen an. Ein Junge taut auf. Weitere folgen und gehen auf
Tuchfühlung. Das Blatt wendet sich und sie werden sogar übermütig. Die
Erwachsenen sind noch skeptisch, aber ich bekomme es langsam hin. |